Forschungszulage oder ZIM?
– Eine Wahl ohne Qual –
Forschungszulage vs. ZIM: Das Ausgangsszenario
In der Praxis fragen sich kleine & mittlere Unternehmen (KMU), welches nationale Fördermittel sie für ihre Forschung & Entwicklung verfolgen sollten. Dabei stoßen diese Unternehmen unweigerlich auf die Dauerbrenner KMU-innovativ oder auf das Zentrale Innovationsprogramm für den Mittelstand (ZIM). Seit 2020 steht KMU auch die Forschungszulage (FZul) zur Verfügung und wird seit 2021/22 verstärkt in den Vergleich der Möglichkeiten einbezogen. Doch welches Förderinstrument bietet das beste Profil?
Hierfür wollen wir uns als Beispiel ein mittleres Unternehmen (gemäß Definition KMU der AGVO, Anlage 1) als Kapitalgesellschaft mit 100 Mitarbeitern und 20 Mio. € Umsatz betrachten, das eine themenoffene Förderung für technische Projekte in Eigenregie sucht, weswegen das zweiphasige KMU-innovativ mit seinen thematisch gerichteten Förderaufrufen aus der Betrachtung herausfällt. Es läuft also auf einen Vergleich von FZul (nach FZulG) und ZIM (Einzelvorhaben) hinaus. Für beide Ansätze wird ein Grundlagenbescheid bereits nach der ersten Stufe erteilt.

Fördersätze: Die irreführenden Sirenen
Primäre Motivation sich mit öffentlichen Fördermitteln auseinanderzusetzen, ist der Umfang der zu erwartenden Förderung. Beide Förderprogramme gewähren nicht rückzahlbare Zuschüsse gemäß AGVO, entweder als direkte Zuschüsse nach Verwendungsnachweis (ZIM) oder als Abzugsbetrag von der festgesetzten Körperschaftssteuer (FZul). Während bei ZIM unterjährige Auszahlungen basierend auf tatsächlichen Kosten durch Zwischenverwendungsnachweise möglich sind, ist die Auszahlung bzw. Verrechnung von FZul an die Steuererklärung des Unternehmens und Festsetzung der Körperschaftssteuer gekoppelt (nach vorheriger Feststellung der FZul mit Hilfe eines Elster-Antrages) und damit vom Zeitpunkt der Ausgaben entkoppelt.
Für ZIM ist die Differenzierung der Förderquoten grundsätzlich positiv hervorzuheben (siehe Abb. 1), wobei die Höhe dieser insbesondere bei Kooperationsvorhaben noch deutlich steigen. Für das gegebene repräsentative Beispiel ist der Fördersatz für das KMU bei beiden Fördermitteln identisch. Es wird aber schnell klar, dass Unternehmen, die ZIM nutzen möchten, schnell an die Bemessungsgrenze von 690 insgesamt stoßen, während für FZul eine drastisch höhere Bemessungsgrenze von 10 Mio. € je Jahr gilt.
Zu beachten ist auch, dass ZIM 100 % indirekte Kosten auf die Bruttogehälter aufschlägt. Damit wird Bemessungsgrenze von 690 k € schon mit 345 k € Personalkosten erreicht, wohingegen die FZul-Förderung keinen Overhead vorsieht, aber die gesamten direkten Personalkosten, inkl. der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung, Teil der Bemessungssumme sind.
Im Überblick wird deutlich, dass der obere Bereich des Plots leer bleibt, was angesichts der Orientierung beider Fördermittel an der FuE-Förderintensitätsquote für experimentelle Entwicklung nicht überrascht (leere obere Zone wird durch kompetitive Intensivförderungen, z. B. Horizon Europe, abgedeckt).
Verwertung und Stand der Technik
Beide Fördermittel setzen hohe Ansprüche an die Neuartigkeit der angestrebten FuE-Ergebnisse und verlangen erhebliche technische Risiken bei der Umsetzung. Es gibt aber große Unterschiede bezüglich der Marktorientierung und Ausgangs- und Endlage beim Stand der Technik. Als Maß der Marktorientierung soll hier der Verwertungsdruck gewählt werden und für den Stand der Technik das objektive Maß Technology Readiness Level (TRL).

Während die Forschungszulage hier ihre volle Flexibilität ausspielt und fast den gesamten Optionsraum ausfüllt, kann mit ZIM nur ein sehr enges Fenster bespielt werden (Abb. 2.). Sowohl Grundlagenforschung als auch bedeutende Teile industrieller Forschung werden nicht von ZIM adressiert. Der Endpunkt muss immer TRL 8 erreichen. Dies ist eng mit dem Anspruch verknüpft schnell den Markt zu durchsetzen und Marktanteile zu gewinnen. Eine weitere Einschränkung ergibt sich durch die leicht widersprüchliche Auflage, durch ZIM-Projekte neue Technologiefelder als Unternehmen erschließen zu müssen. FZul-Vorhaben sollten auch grundsätzlich originär sein; es wird aber im Antrag keine Gegenüberstellung der bisherigen FuE auf Unternehmensebene mehr verlangt.
Aufwand und Erfolgswahrscheinlichkeit
Mit welchen Ressourcen ein FuE-Projekt durchgeführt werden soll und mit welchem inhaltlichen Anspruch es verfolgt wird, hilft somit erheblich bei der konkreten Auswahl der passenden Förderung. Um eine finale Bewertung bei ausgewogenen Vor- und Nachteilen von FZul und ZIM vorzunehmen, sollte der konkrete Aufwand bei Beantragung zu der Erfolgswahrscheinlichkeit ins Verhältnis gesetzt werden. Für den Aufwand soll hier eine relative Bewertung zu einer klassischen Innovation Action unter dem Horizon-Europe-Programm herhalten, die mit 45 Seiten im inhaltlichen Part B als ein Maximum an Aufwand für einen schriftlichen einstufigen Antrag betrachtet werden kann. Für die Erfolgsquoten können reale Erfahrungen eingebracht werden (Abb. 3).
Spätestens bei dieser Gegenüberstellung wird deutlich, wie wenig sich ZIM im Vergleich zu FZul lohnt, wenn die abschließende Abwägung vorgenommen werden soll. Bei einer sehr viel besseren Erfolgsspanne (ca. 50 % als Untergrenze, gebildet durch Untergrenze der IKT-Branche und 95 % durch z. B. klinische Studien in Phase I-II in der Life-Science-Branche), kann auch der verhältnismäßig übersichtliche Aufwand gegenüber ZIM überzeugen (Antrag mit 4.000 Zeichen und einem tabellarischen Arbeitsplan gegenüber einem ZIM-Antrag mit erschöpfender technischer Beschreibung und einer Marktanalyse).
ARTTICs Fazit
Im dargestellten Fall für ein mittleres Unternehmen kann eine sehr eindeutige Schlussfolgerung gezogen werden: Für Projekte mit Schwerpunkt Personalkosten ist ZIM auf dem Papier attraktiver. Dabei wird aber sowohl der Aufwand der Beantragung (und insbesondere der Dokumentationsaufwand bei Bewilligung) außer Acht gelassen als auch die geringere Wahrscheinlichkeit überhaupt Förderung zu beziehen. Nominell ist ZIM bis 345.000 € Personalkosten für ein mittleres Unternehmen lukrativer als die Forschungszulage. Allerdings stellen 3450 k € Bruttogehalt bereits die absolute Grenze für ZIM dar und es wird deutlich, wie klein die hierfür konzipierten Projekte sein müssen: ca. 1,5-2,0 FTE je Jahr bei einer Gesamtdauer von 3 Jahren). Bei der FZul gibt es alle Freiheiten hinsichtlich der Anzahl (und exakten Kenntnis) der Projektbeteiligten, deren zeitlichen Aufwands und der Höhe der individuellen Personalkosten (kein Gehaltsdeckel). Es lassen sich daher einige Kriterien aufstellen, anhand derer Unternehmen eine Entscheidung treffen können (Tab. 1).
Tab. 1: Entscheidungshilfe bei Wahl zwischen FZul und ZIM
Kriterium | FZul | ZIM (Einzelvorhaben) |
---|---|---|
FuE-Art | Uneingeschränkt (Grundlagen, ind. Forschung, exp. Entwicklung) | Eingeschränkt (partiell ind. Forschung, exp. Entwicklung) |
Projektzweck | offen | Vermarktbare Produkte und kommerzialisierbare Verfahren |
Projektdauer | 3 Jahre in Voraus ab Beantragung, aber durch rückwirkende Beantragung bis zu 7 Jahre insgesamt | Max. 3 Jahre ab Genehmigung |
Vorlauf Beantragung | Kein Vorabbeantragung nötig und bis zu 4 Jahre nach Beginn der FuE-Arbeiten noch beantragbar | Arbeiten können vor Beantragung beginnen (aber generelles Risiko, dass Kosten nicht rückwirkend anerkannt werden) |
Rechtsanspruch | Qua Erfüllung Frascati-Kriterien und formalisiert durch Bescheid der BSFZ | Kein Rechtsanspruch; bewilligte Projekte unterliegen einem generellen Vorbehalt |
Flexibilität Kosten | Volle Flexibilität hinsichtlich genehmigter Kostenposten (bis max. Bemessungs–summe ins. für Unternehmen von 10 Mio. € jährlich), solange sich Art der FuE-Arbeiten nicht inhaltlich ändert | Eingeschränkte Kostenflexibilität, da Bemessungssumme auf 690.000 € begrenzt ist und Änderungen in der Höhe grundsätzlich erst vom Projektträger genehmigt werden müssen |
Auch wenn ZIM-Einzelvorhaben gegenüber FZul nur in wenigen Fällen sinnvoll sind, ist ZIM eine gute Option für KMU, um Wissenstransfer in Form eines Kooperationsvorhabens mit Forschungseinrichtungen zu organisieren. Diese profitieren in einem Kooperationsvorhaben von einer 100%igen Deckung ihrer Kosten und erhalten zusätzlich einen Overhead für indirekte Kosten bis zu einer insgesamten Bemessungssumme von 220.000 €. Unsere Kollegen von PNO Consultants können Sie hierzu fachkundig beraten.
Zu guter Letzt sollten Unternehmen die allg. Rahmenbedingungen im Auge haben. Zwischen 2021 und 2023 haben Antragssteller aus Gründen der Budgeterschöpfung oder wegen eines fehlenden Haushalts insgesamt drei Antragsstopps bei ZIM erdulden müssen. Im Gegensatz dazu ist die Forschungszulage eine steuerliche Subvention und damit von der Budgetierung des Bundeshaushalts unabhängig. Über die weiteren Vorteile informieren Sie unsere ARTTIC-BeraterInnen gerne in einem Videocall.
Autor

Dr. Daniel Pawliczek
Funding Consultant bei ARTTIC Innovation
“Wer beraten will, muss zuallererst zuzuhören.”
Als Funding Consultant helfe ich Kunden dabei von der steuerlichen Forschungs- und Entwicklungsförderung zu profitieren. Da das Instrument noch recht neu ist, gehe ich aktiv auf innovative Unternehmen zu, kommuniziere die Besonderheiten & Chancen und analysiere, ob die wissenschaftlichen, technischen und organisatorischen Voraussetzungen gegeben sind.
Bei Interesse an den Beratungsservice der ARTTIC vereinbaren Sie gern einen Termin mit unseren FZulG-Experten.
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