Wie kann die Forschungszulage besser werden?
Wie kann die Forschungszulage besser werden?
Begleitende Stellungnahme zur Kurzbefragung der DIHK vom 6. September 2022.
Eine kürzlich veröffentlichen Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) liefert aufschlussreiche Erkenntnisse darüber, wie die Unternehmen die Forschungszulage wahrnehmen [1] – nämlich als bürokratisch, intransparent hinsichtlich förderfähiger Kosten und wenig attraktiv gegenüber Projektförderung. Anlass genug für ARTTIC Innovation, zwei Jahre nach dem Start der steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung (FuE) in Deutschland (siehe Forschungszulagengesetz, FZulG [2]), aus der Perspektive der Innovations- und Förderberatung zu bewerten, ob die momentane Ausgestaltung des Instruments zu der angedachten Rolle inmitten der Fördermittellandschaft passt. Gibt es Aspekte, deren Reform helfen würde, die Rolle besser auszufüllen, oder lassen sich sogar andere Ambitionen für die Forschungszulage denken?
1. Vorteile des Instruments und Einfluss auf Funktion der Forschungszulage
Um zu beantworten, wie die Forschungszulage besser werden kann, lohnt es sich anfangs die positiven Aspekte zu betrachten. Als Alleinstellungsmerkmale wären hervorzuheben:
- Rückwirkende Förderung (ab 1.1.2020)
- Förderung abgebrochener Projekte
- Kompakter fachlicher Antrag in Phase 1 (im Verhältnis zu dem möglichen Ertrag)
Ferner konnten wir in unserer Praxis sehen, dass Unternehmen die folgenden Eigenschaften bei Ihrer Entscheidung für die Forschungszulage als vorteilhaft einschätzen:
- Themenoffenheit (keine programmatischen Vorgaben)
- Förderung von Auftragsforschung (wenn interne Kompetenzen fehlen)
- Kerndaten des Vorhabens können auch nach Beantragung noch angepasst werden (Projektkosten, Projektverlauf, Projektergebnis)
Aus der Verbindung der vorgenannten Alleinstellungsmerkmale und Vorteile ergibt sich das individuelle Charaktermerkmal der Forschungszulage: leicht realisierte Flexibilität. Darüber hinaus steht diese Option jedem Unternehmen zur Verfügung, unabhängig von der Größe.
Die allgemeine Zielstellung bei der Einführung der Forschungszulage war es, FuE in Deutschland zu stärken, indem ein komplementärer Mechanismus der Bezuschussung von Arbeitskosten etabliert wird. Der strategische Gedanke war hierbei, den Ausbau von FuE-Aktivitäten zu fördern, indem ein Rechtsanspruch auf Förderung projektbezogener Tätigkeiten Mittel freimacht, die dann für andere Ausgaben – vorzugsweise in FuE – eingeplant werden können.
Diese Rolle könnte die Forschungszulage tatsächlich erfüllen und die DIHK-Umfrage zeigt auch, dass „Kostensenkung für FuE-Vorhaben“ als auch die „Ausweitung der eigenbetrieblichen FuE“ unter den Top 3 der vorteilhaften Erwartungen an die Forschungszulage zu finden sind. Im täglichen Umgang mit der Forschungszulage hat sich jedoch gerade bei Unternehmen gezeigt, die keine explizite FuE-Abteilungen haben, dass Personal aus durch die Forschungszulage geförderten FuE-Tätigkeiten abgezogen wird, sobald lukrativeres Tagesgeschäft winkt! Bei Unternehmen mit designierten FuE-Abteilungen verhält es sich anders. Hier werden die Vorhaben i. d. R. mit dem geplanten Einsatz vorangetrieben. Wir können bislang jedoch noch nicht bestätigen, dass sich Forschungszulage-Auszahlungen vorteilhaft auf die Budgetierung der Forschungsabteilungen auswirken würden. Hier führt die Problematik des verzögerten Abrufs bei den Finanzämtern und somit die Entkopplung ggf. zu einer geringeren, in jedem Fall aber verzögerten, Wahrnehmung dieser spezifischen Kostensenkung.
Die strategische Funktion kann noch nicht abschließend bewertet, aber unter Umständen frühzeitig gestärkt werden (hierzu unsere Vorschläge unter 3.). Es ist aber vielleicht eine andere Eigenart, weswegen die Forschungszulage sich am Ende doch behaupten wird. Diese ist auch bereist vollständig realisiert: Die vollständige Offenheit gegenüber dem Forschungs- und Entwicklungsgegenstand. Dies übersetzt sich direkt in Stärkung der unternehmerischen Souveränität. Unternehmen können selbst entscheiden, welchen Schwerpunkt sie legen wollen. Solange sie sich dabei das Ziel setzen, ein Produkt, ein Verfahren oder eine Dienstleistung zu entwickeln, die über den Stand der Technik hinausgeht und deren Umsetzung mit inhärenten technischen Risiken einhergeht (siehe FRASCATI-Kriterien [3]). Die Forschungszulage befreit Unternehmen ohne sie allein zu lassen.
2. NACHTEILE DES INSTRUMENTS UND EINFLUSS AUF FUNKTION DER FORSCHUNGSZULAGE
Trotz der Vorteile, die wir aufgezählt haben, gibt es Faktoren, die es unattraktiv machen, die Forschungszulage als Zuschuss zu erwirken. Hierzu zählen folgende allgemeinen Punkte:
- Relativ geringe Förderquote (im Vergleich zu anderen Förderprogrammen)
- Undifferenzierte Förderquote (ohne Rücksicht auf Region oder Unternehmensalter)
- Unbestimmbarkeit förderfähiger Tätigkeiten
Darüber hinaus gibt es prozedurale Aspekte, die entweder in der ersten (BSFZ) oder zweiten Phase (ELSTER) der Beantragung in der Praxis Kopfschmerzen bereiten:
- Viel initialer Aufwand für Geschäftsstatistiken bei der BSFZ (Ausweitung auf 3 Wirtschaftsjahre war nicht hilfreich)
- Zunehmende Praxis der BSFZ, ohne Nachforderungen direkt Ablehnungen zu erteilen (und damit eine Neueinreichung erforderlich machen)
- Aufteilung der Bemessungsgrenze pro Wirtschaftsjahr bei verbundenen Unternehmen, was sich insbesondere bei großen Unternehmen als geradezu unmöglich erwiesen hat
- Relative Komplexität des ELSTER-Antrags auf Forschungszulage
- Ungewissheit über mögliche nachträgliche Aberkennung durch Finanzamt
Auch hier deckt sich unser Eindruck größtenteils mit der unternehmerischen Perspektive der DIHK-Umfrage: Zwei Drittel der befragten Unternehmen bewerten das Antragsverfahren als „bürokratisch“ oder „sehr bürokratisch“. Erstaunlicherweise gibt es keine starke Differenzierung zwischen Phase 1 (BSFZ) und Phase 2 (Finanzamt). Unter den Top 3 der Gründe für die ausbleibende Nutzung wurde zudem „… Unsicherheit bezüglich der Förderfähigkeit …“ und „Projektförderung ist für unser Unternehmen attraktiver“ genannt. Dies ist insofern bedenklich, als dass die drittwichtigste Erwartung „einfacher als klassische Projektförderung“ war. An dieser Front wird die Forschungszulage ihrer zugetrauten Funktion nicht gerecht.
3. Verbesserungsvorschläge für die Forschungszulage
Die Vorteile des Instruments sind seitens der Bundesregierung kaum bis gar nicht kommuniziert. Hier ist beim Marketing der zuständigen Ministerien deutliche Luft nach oben. Gerade vor dem Hintergrund des Antragsstopps beim Zentralen Innovationsprogramm für den Mittelstand – so betont auch die Veröffentlichung der DIHK – sollte deutlicher hervorgehoben werden, dass ein Bescheid der BSFZ ein Rechtsanspruch darstellt, unabhängig von der Höhe verfügbarer Haushaltsmittel. Die Förderfähigkeit im Sinne der Forschungszulage ist ein zeitloses und fixes Kriterium. Ein ausgestellter Bescheid ist und bleibt gültig.
Mehr Potenzial für Verbesserungen bieten die identifizierten Nachteile. Behält man diese im Hinterkopf und folgt einem nutzerorientierten Ansatz, ergibt sich folgende Idealvorstellung der Forschungszulage: Ein Zuschuss in signifikanter Höhe, der einfach zu beantragen ist, teilweise oder vollständig zeitnah ausgezahlt wird, vielleicht bestimmten Unternehmen mehr Anreize gibt und insgesamt wenig Arbeit macht. Was müsste getan werden, um dies zu erreichen?
- Signifikante Höhe: Moderate Erhöhung des Satzes für Personalkosten oder Einbeziehung von Sachkosten in die Bemessungsgrenze
- Zeitnahe Auszahlung: Ermöglichung einer Anschubfinanzierung, indem Unternehmen mit einem Bescheid der BSFZ direkt die zu erwartende Forschungszulage für das laufende Wirtschaftsjahr für alle bescheinigten Vorhaben vorgestreckt bekommen. Hierfür wäre ein Minimalantrag über ELSTER nötig. Die Verrechnung mit den tatsächlich anfallenden förderfähigen Kosten erfolgt dann klassisch über den bisherigen ELSTER-Antrag nach dem Ende eines Geschäftsjahres.
- Modifikationen: Mit der Höhe der Personalkosten wächst die Höhe der Forschungszulage. Das benachteiligt kleine und mittelständische Unternehmen und über die Verteilung von FuE-starken Unternehmen in Deutschland die strukturschwachen Bundesländer. Daher schlagen wir die Abschaffung der individuellen Aufwandsberechnung vor und die Einführung einer Stundenpauschale (steht auch in Einklang mit Forderung der Unternehmen in Freitext der DIHK-Befragung). Wir schlagen vor, diesen mit 40 €/h festzusetzen. Dies ist nicht nur ein klassischer Medianstundensatz in gemischten FuE-Teams. Dieser Satz hätte den Vorteil, dass er z. T. sehr viel höher ist als die Stundensätze in z. B. ostdeutschen Landkreisen. Wir schlagen ferner vor, dass alle Unternehmen der Einfachheit halber mit diesen Satz in beiden Phasen beantragen können, aber Unternehmen, die höhere Stundensätze zahlen, diese auch in der 2. Phase wie bisher als Basis für die Förderung heranziehen können.
- Formale Erleichterungen: Es gäbe viele Details, die schon eine große Wirkung hätten. Dazu zählt der Verzicht auf Geschäftsstatistiken in der 1. Phase, eine bessere Verteilung eingehender Anträge innerhalb des BSFZ-Konsortiums (die Bearbeitungszeiten schwanken sehr stark zwischen den Trägern des Konsortiums), die Vereinfachung der Stundendokumentation (wochen- statt tagesbasiert, steht auch im Einklang mit GoBD), eine Straffung des 2. Teils des ELSTER-Antrags in der 2. Phase (Anzahl geleisteter Stunden würde bei Stundenpauschale reichen) und generell nachvollziehbare Begründungen im Bescheid des Finanzamtes, warum von der BSFZ als förderfähig erachtete Forschungsaufträge manchmal nicht berücksichtigt werden. Ein Verzicht auf die Pflicht zur Anmeldung mit einem ELSTER-Zertifikat in der 1. Phase wäre auch unkritisch, solange sich das Unternehmen in der 2. Phase digital ausweisen muss.
Fazit
Die Forschungszulage soll und kann sicherlich nicht direkte Projektförderung ersetzen, aber momentan kann sie nicht einmal ernsthaft mit dieser konkurrieren und wird konsequent als Ergänzung missachtet. Es wäre sicher von Vorteil, wenn in der nächsten Novellierung des Instruments auf einige der dargelegten Vorschläge eingegangen würde. ARTTIC Innovation wird weiterhin die Entwicklung der Forschungszulage und alle interessierten Unternehmen begleiten.
Dr. Daniel Pawliczek
Funding Consultant bei ARTTIC Innovation
Quellen:
[1] *DIHK-Auswertung Mit Innovationen Krisen meistern zur steuerlichen Forschungsförderung
[2] FZulG – Gesetz zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung (gesetze-im-internet.de)
[3] Frascati-Handbuch 2015 | READ online (oecd-ilibrary.org)
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