Die ertragsblinde Forschungszulage –
Warum defizitäre Unternehmen (zu Unrecht) zögern
Rekapitulation
Die Forschungszulage hat nach einem verhaltenen Zuspruch nach Einführung des Instruments in den letzten Jahren deutlich an Popularität gewonnen. Das lässt sich nicht nur an der Werbung und den Studien verschiedener Verbände erkennen, sondern auch an den nackten Zahlen der staatlichen Steuereinnahmen, wie es aus dem 29. Subventionsbericht (Siehe S. 114) der Bunderegierung hervorgeht. Im laufenden Jahr dürften die durch die Forschungszulage begründeten gesamtstaatlichen Ausfälle bei der Körperschaftssteuer erstmals die Grenze von einer Milliarde überschreiten.
Kalenderjahr |
Σ Abgerufene Forschungszulage [Mio. €] |
---|---|
2021 | 20 |
2022 | 155 |
2023 | 615 |
2024 | 1.100* |
Anspruch und Wirklichkeit
Dennoch wird mit einer Forschungszulage von insgesamt ca. 1,8 Mrd. € über den Zeitraum 2021 bis 2024 die Schätzung von 5,6 Mrd. € aus dem Jahr 2020 für diesen Zeitraum nur zu etwa einem Drittel erreicht worden sein.
Das heißt aber nicht automatisch, dass diese 1,8 Mrd. € die realen Ansprüche der Unternehmen aufgrund der ihnen zur Verfügung stehenden Bescheinigungen der BSFZ vollständig abbilden. Wie ARTTIC bereits ausführlich dargelegt hat, sind Aufwendungen bescheinigter Projekte noch 4 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres beim Finanzamt abrufbar in dem die ersten Aufwendungen angefallen sind. Die große Abrufwelle wird daher in diesem Jahr einsetzen; vorausgesetzt die Unternehmen sind sich der Befristung bewusst: Anträge auf Forschungszulage für das Jahr 2020 müssen in diesem Jahr beim Finanzamt eingereicht werden, sonst verfällt der Anspruch!
Die quantifizierbare Rolle der Forschungszulage
Doch selbst wenn die Welle kommt, stellt sich immer noch die Frage, warum viele Unternehmen offensichtlich nicht die Forschungszulage beantragen. Selbst die erwarteten 1,1 Mrd. € Forschungszulage in 2024 (in denen ja Ansprüche mehrerer Vorjahre enthalten sind) entsprechen genau 4,4 Mrd. € Personalkosten für Forschung und Entwicklung (FuE). Nimmt man die FuE-Ausgaben deutscher Unternehmen im Jahr 2021 zum Maßstab (75,2 Mrd. €), werden weniger als 6 % der FuE-Ausgaben mit der Forschungszulage gefördert. Es stellt sich daher die Frage: Wer beantragt die Forschungszulage noch nicht und warum?
Das Missverständnis
Im Alltag erlebt ARTTIC häufig die Situation, dass Unternehmen die Forschungszulage geprüft hätten und zu dem Schluss gekommen seien, dass diese nicht für ihr Unternehmen in Frage käme. Auf die Nachfrage, warum, wird meistens die fehlende Steuerschuld genannt, oder ein Gewinnvortrag oder ein Verlustvortrag etc.. Die Frage, ob ein Unternehmen auch tatsächlich Körperschaftssteuer im Rahmen einer Veranlagung eines Wirtschaftsjahres vom Finanzamt festgesetzt bekommt oder nicht, ist jedoch für die Anrechnung der Forschungszulage vollkommen unerheblich! Die Begründung ergibt sich aus der Natur der Forschungszulage.
Die erstattungsfähige Steuergutschrift
Die Forschungszulage ist nach OECD-Definition ein refundable tax credit, also eine erstattungsfähige Steuergutschrift. Sie führt also nicht nur zu einer Reduktion der Steuerlast auf den Wert von 0 €, sondern die Differenz zur Höhe der festgesetzten Körperschaftssteuer wird direkt ausgezahlt. Die Forschungszulage steht damit im Gegensatz zum non-refundable tax credit, welcher die Steuerlast nur auf den Wert von 0 € drückt und niemals zu einer negativen Steuerlast führen könnte. Daher ist die Forschungszulage auch zur Förderung von FuE bei Unternehmen geeignet, bei denen ein Verlust angefallen ist. Gerade bei jungen Unternehmen oder Unternehmen in Branchen, die einen Strukturwandel erfahren, ist die Forschungszulage daher dringend zu beantragen, solange diese keine „Unternehmen in Schwierigkeiten“ sind (VERORDNUNG (EU) Nr. 651/2014, §2, Nr. 18).
Die verhängnisvolle Salamitaktik
In der Praxis kommt es zudem häufig vor, dass Unternehmen die Forschungszulage erst einmal ausprobieren möchten, mit nur einem Vorhaben beginnen und stückchenweise weitere Bescheinigungen bei der BSFZ erwirken. Mit dieser Taktik wird kostbare Zeit verschenkt, was sich negativ auf die Liquidität eines Unternehmens auswirken kann (insbesondere, wenn es Verlust macht). So wird mitunter nur für das am längsten zurückliegende Wirtschaftsjahr der Abruf beim Finanzamt vorgenommen oder nur für solche, die identisch mit dem Jahr sind, zu dem eine Steuererklärung eingereicht wird. Der Körperschaftssteuerfestsetzungsbescheid für ein veranlagtes Jahr muss aber als Messsonde verstanden werden, denn dieser „prüft“ faktisch welche Forschungszulagenfestsetzungsbescheide bereits vorliegen: Es kann in einer Steuererklärung für das Jahr 2022 bereits die Forschungszulage für 2023 angerechnet werden (siehe Rn 263 im Schreiben des BMF vom 7. Februar 2023)!
ARTTICs Fazit
Die Forschungszulage ist nicht nur inhaltlich ein flexibles Instrument, sie ist auch formal als erstattungsfähige Steuergutschrift ein Deckel für alle Töpfe. Wenn Sie also die Forschungszulage aus Ertragsperspektive Ihres Unternehmens bisher als ungeeignet befunden haben, helfen wir bei ARTTIC Innovation Ihnen gern dabei, Sie während des gesamten Prozesses, von der Frage der Förderfähigkeit bis zur tatsächlichen Auszahlung, zu begleiten.
Dr. Daniel Pawliczek
Funding Consultant bei ARTTIC Innovation
Bei Interesse an den Beratungsservice der ARTTIC vereinbaren Sie gern einen Termin mit unseren FZulG-Experten.
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