Ist die Forschungszulage ein Erfolg?
Ist die Forschungszulage ein Erfolg? – ARTTIC Innovation zieht Bilanz
Verständlicherweise fragen sich alle Interessenvertreter, ob die Forschungszulage ein Erfolg ist. Für eine umfassende Bewertung müssen sich jedoch alle Beteiligten bis zum Jahr 2025 gedulden, in dem die Evaluierung durch Bundesregierung geplant ist. Zwei kleine Anfragen im Bundestag erlauben aber erste Rückschlüsse auf die Akzeptanz der Forschungszulage und die zugrundeliegende Dynamik (Drucksache 19/31672 und 20/724) [1] [2]. Angesichts der Schätzung, dass ca. 5,6 Mrd. € Forschungszulage zwischen 2021 und 2024 abgerufen werden könnten [3] und sollten (siehe FuE/BIP-Ziel von 3,5 % bis 2025) [2], sowie der formulierten Ambition, in der ersten Liga bei der Forschungsförderung mitzuspielen [4], stellen sich für den zu bewertenden Erfolg folgende Fragen:
- Wächst das Antragsaufkommen der Forschungszulage zügig?
- Wieviel Forschungszulage wurde bisher genehmigt und werden die 5,6 Mrd. € erreicht?
- Profitiert vor allem der Mittelstand von der Forschungszulage?
Präzise Antworten auf alle drei Fragen lassen sich kaum formulieren, da nur sehr zurückhaltend Daten veröffentlicht werden. Erste Indizien gibt es jedoch.
Wächst das Antragsaufkommen der Forschungszulage zügig?
Hierfür stehen nur zwei Vergleichszeiträume zur Verfügung. Der Zeitraum der rein nicht-digitalen Einreichung von September 2020 bis Januar 2021 und der Gesamtzeitraum der möglichen Einreichungen bis Ende Januar 2022. Hier kann tatsächlich eine Steigerung von etwa sechs auf etwa zwölf Anträge pro Tag verzeichnet werden.
Ein genereller Anstieg war zu erwarten, da ab April 2021 das Verfahren rein digital abgewickelt werden konnte und die Marktdurchdringung trotz fehlender Werbung seitens der Bundesregierung allmählich steigen musste; nicht zuletzt dank Innovationsberatern wie ARTTIC Innovation.
Wieviel Forschungszulage wurde bisher genehmigt und werden die 5,6 Mrd. € erreicht?
Diese Frage ist schon auf dem ersten Blick komplexer, da keine Zahlen zur durchschnittlichen Höhe der eingereichten/abgerufenen Höhe von Projektkosten je Vorhaben vorliegen. Auch der 28. Subventionsbericht kann diesbezüglich nicht helfen, da die zugrundeliegende Berechnung nicht offengelegt wurde und nur 2 Kalenderjahre für die Ermittlung der zu erwartenden Steuermindereinnahmen herangezogen wurden [5]. Daher muss eine Reihe von Hilfsannahmen bemüht werden.
- Die durchschnittliche Vorhabenssumme soll 260.000 € betragen (≈ jährliche FuE-Aufwendungen eines deutschen Mittelständlers [3])
- Die Vorhabensumme erstreckt sich auf eine durchschnittliche Vorhabensdauer von ca. 3 Jahren
- Verteilungsschlüssel Vorhabenssumme Vorjahr-Beantragungsjahr-Folgejahr 25:50:25
Diese Vereinfachungen können, basierend auf eigenen Daten, vorgenommen werden. Mit den zusätzlichen verfügbaren Daten aus den kleinen Anfragen in Form der Anzahl bewilligter Anträge (4.209 bis zum 31. Januar 2022), der Erfolgsquote (79 %, der beschiedenen Anträge bis 31. Januar 2022) und der Vorhabensquote (durchschnittlich 1,38 Vorhaben je Antrag), ergibt sich folgende Schätzung für den gesamten bis zum 31. Januar 2022 erworbenen (aber zeitlich darüberhinausgehenden) Forschungszulagenanspruch, beginnend ab 2020 in Höhe von 437 Mio €.
Sollte das Tempo bei der Antragseinreichung nicht zunehmen und sich die durchschnittliche Vorhabengröße und -länge nicht ändern, lässt sich für den gesamten Zeitraum 2021-2024 (Abruf von Forschungszulage für 2020-2023) bei einer stabilen Aufwendungsverteilung (25:50:25) ein Wert von 1,3 Mrd. € prognostizieren. Das entspräche nicht einmal einem Viertel des geplanten Förderbetrags für dieses Instrument gegenüber der eingangs erwähnten Schätzung. Sollte sich jedoch das Volumen eingereichter Anträge jedes Jahr ab 2022 gegenüber dem Vorjahr verdoppeln, könnte die Gesamtsumme der Forschungszulage bis zu 2,4 Mrd. € betragen. Auch dieser Wert wäre allerdings nicht einmal halb so viel wie erhofft. Die im 28. Subventionsbericht berechneten Ansprüche liegen für die Jahre 2020 und 2021 jedoch bei 3,77 Mrd. €, was bereits eine Übererfüllung bedeuten würde.
Mittlerweile gibt es dank des Bundeshaushalts 2022 Gewissheit darüber, wieviel Mindereinnahmen die Forschungszulage im Jahr 2021 tatsächlich in den Kassen des Bundes – und damit in den Kassen der Länder – verursacht hat [6]. Demzufolge hatte der Bund 9 Mio. € Mindereinnahmen zu verzeichnen. Das bedeutet, dass alle Unternehmen in Deutschland im Jahr 2021 gerade einmal 18 Mio. € Forschungszulage abgerufen haben (Verteilungsschlüssel Körperschaftssteuer Bund:Länder 50:50). Die Diskrepanz zwischen den Berechnungen im Subventionsbericht und Ist-Zahlen im Haushalt ist eklatant.
Dafür kann es mehrere Gründe geben. Aus unserer Sicht, sind aber vor allem drei Faktoren entscheidend:
- Unternehmen gehen inkrementell bei der Beantragung von Bescheinigungen vor und stellen spät fest, dass dieses Vorgehen durch Beschränkung auf einen einzigen Abruf pro Geschäftsjahr nicht funktioniert,
- Vorhaben können vorab genehmigt werden und, noch wichtiger,
- der Forschungszulage-Abruf kann noch vier Jahre nach Ablauf eines Wirtschaftsjahrs erfolgen
Profitiert vor allem der Mittelstand von der Forschungszulage?
Die Bundesregierung gibt an, dass der Großteil der eingereichten Anträge von Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern gestellt wurde (74 % bis 31. Januar 2022). Dennoch ist die Ausgestaltung der Forschungszulage, insbesondere der bewusste Verzicht auf eine Grenze bei der Unternehmensgröße (im Gegensatz z. B. zu ZIM), Anlass für die Annahme, dass Großunternehmen ihren Anteil tendenziell ausbauen werden. Trotz der einfach gehaltenen Ausgestaltung der Forschungszulage, gibt es nämlich nach wie vor Hürden, die von Kleinunternehmen mit wenig personellen Ressourcen nur schwer mit vertretbarem Aufwand zu überwinden sind:
- Die Beschreibung förderfähiger Tätigkeiten und Vorhaben und die korrekte Definition für Forschung und Entwicklung
- Die Berechnung förderfähiger Personalaufwendungen ohne tiefere Literaturrecherche betreiben zu müssen (z. B. Gesetzestext oder Schreiben des BMF)
- Sichere Ausgestaltung der Vorhaben, um unter allen Umständen Rückforderungen durch das Finanzamt zu vermeiden
Fazit
Alle drei untersuchten Aspekte zeigen, dass die Forschungszulage momentan noch nicht vollständig in der Deutschen Wirtschaft angekommen ist. Es wird weiterhin die Hilfe von Unternehmen wie ARTTIC Innovation GmbH nötig sein, um Unternehmen sicher und erfolgreich zu Ihrem Rechtsanspruch auf Forschungszulage zu navigieren. Die bisher demonstrierte Flexibilität der Bescheinigungsstelle ist aber eine gute Voraussetzung, dass die Forschungszulage den vorgesehenen Beitrag bei der Erreichung des Ziels von FuE Aufwendungen in Höhe von 3,5% des BIP wird leisten können.
Dr. Daniel Pawliczek
Funding Consultant bei ARTTIC Innovation
Quellen:
[1] Drucksache 19/31672 (bundestag.de)
[2] Drucksache 20/724 (bundestag.de)
[3] 2020-02-neue-forschungszulage-in-deutschland.pdf
[4] BMWK – Altmaier zur Verabschiedung der steuerlichen Forschungsförderung im Bundestag: Endlich erste Liga bei der Forschungsförderung!
[5] 28. Subventionsbericht (bundesfinanzministerium.de)
[6] BHH 2022 gesamt.pdf (bundeshaushalt.de)
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